§§ 11 Abs. 3, 18 Abs. 1 GasGVV Zur Korrektur einer Gasrechnung aufgrund einer fehlerhaften Verbrauchserfassung

§§ 11 Abs. 3, 18 Abs. 1 GasGVV Zur Korrektur einer Gasrechnung aufgrund einer fehlerhaften Verbrauchserfassung

  1. Korrektur der Gasversorgungsrechnung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GasGVV wegen fehlerhafter Verbrauchserfassung durch einen defekten Gaszähler.
  2. Schätzung des Gasverbrauchs entsprechend § 11 Abs.3 Satz 1 GasGVV.

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

 


Geschäftsnummer: 1-19 U 67/10 OLG Hamm

verkündet am: 09.11.2010

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

Energieversorgungsunternehmen

– Klägerin –

gegen

X

– Beklagter –

Aus den Gründen

I.    Nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf das angefochtene Urteil verwiesen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt. Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin (Kl.). Sie rügt eine fehlerhafte Berechnung des Gaspreises für den Abrechnungszeitraum vom 28.03.2008 bis zum 28.03.2009. Für die Preisberechnung könne nicht der vom Landgericht berechnete durchschnittliche Verbrauchspreis zugrunde gelegt werden. Auf diese Weise blieben die Geltung der Preisstufen und der jahreszeitliche Verbrauchsunterschied unberücksichtigt. Vielmehr müsse der in der Abrechnung vom 09.06.2009 ermittelte Gaspreis verhältnismäßig herabgesetzt werden. Danach ergebe sich eine weitere Forderung von 1.881,05 €. Ein weiterer Zahlungsanspruch ergebe sich auch für den Verbrauchszeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008. Auf der Grundlage des § 18 Abs. 2 Alt.2 GasGVV könne eine Nachberechnung erfolgen, da der Verbrauch fehlerhaft gemessen worden sei. Es sei ausgeschlossen, dass der Beklagte (Bekl.) in diesem Zeitraum 40 % weniger Gas verbraucht habe als im Vorjahreszeitraum. ( … )

II.    Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Die Kl. hat gegen den Bekl. einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von insgesamt 22.988,33 € gern. §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB aus dem zwischen den Parteien bestehenden Energielieferungs- und Versorgungsvertrag.

  1. Wegen der Forderung aufgrund der Lieferung von Strom in dem Zeitraum vom 28.03.2008 bis zum 28.03.2009 und von Gas in dem Zeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008 in Höhe von 13.824,27 € wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Insoweit haben die Parteien die erstinstanzliche Entscheidung nicht angegriffen.
  2. Darüber hinaus hat die Kl. gegen den Bekl. für den Abrechnungszeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008 einen Anspruch auf Zahlung weiterer 7.283,08 € aus §§ 453 Abs. 1, 433 Abs.2 BGB i.V.m. § 26 EnWG, § 18 Abs. 1 Satz 1 GasGVV. Die für diesen Zeitraum erteilte Abrechnung vom 14.04.2008 beruht auf einem Berechnungsfehler.

a) Die Abrechnung vorn 14.04.2008 konnte gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 GasGVV korrigiert werden, da sie auf einer fehlerhaften Verbrauchserfassung durch eine defekte Verbrauchsuhr beruht (vgl. Hempel/Franke-Hempel, AVBeltV 1997, § 21 Rn. 24, 33; Steenbuck in MDR 2010, 357, 360). Die Kl. hat am 27.04.2009 festgestellt, dass der Zähler der Verbrauchsuhr des Bekl. zum Stillstand gekommen war. Der Bekl. hatte den Zählerdefekt zunächst bestritten. Nach Vorlage der Befundprüfung vom 27.04.2009 stellt der Bekl. den Defekt nicht mehr in Abrede. Ansprüche des Versorgers wegen eines Messfehlers sind gem. § 18 Abs. 2 Alt.1 GasGVV grundsätzlich auf den der Feststellung vorhergehenden Abrechnungszeitraum beschränkt, es sei denn die Auswirkung des Fehlers kann über einen größeren Zeitraum festgestellt werden. Im vorliegenden Fall ist eine Nachberechnung für den Abrechnungszeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008 zulässig. Es steht zweifelsfrei fest, dass der Zählerstillstand bereits in dem vorangegangenen Abrechnungszeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008 aufgetreten ist und sich auf den in diesem Zeitraum ermittelten Gasverbrauch ausgewirkt hat.

Zwar ist es möglich, dass der Zähler unmittelbar vor der Ablesung am 27.03.2009 zum Stillstand geraten ist und der Defekt die Abrechnung vom 14. 04.2008 nicht beeinflusst hat. Der Vergleich des in diesem Abrechnungszeitraum festgestellten Gasverbrauchs von 21.027 m3 mit den Verbrauchszahlen für den Vorjahreszeitraum sowie für den Zeitraum ab dem 27.04.2009 steht einer solchen Annahme aber unzweifelhaft entgegen. Die in diesen drei Zeiträumen abgelesenen Verbrauchszahlen sprechen zwingend für den Eintritt des Zählerdefekts während des Abrechnungszeitraums vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008.

Während des Abrechnungszeitraums vom 06.05.2006 bis zum 26.03.2007 hat der Bekl. in 11 Monaten 29.175 m3 Gas verbraucht, und damit bereits mehr als der defekte Gaszähler für die nachfolgenden 12 Monate des streitigen Abrechnungsjahres ermittelt hat. Nach dem Zähleraustausch in der Zeit vom 27.04.2009 bis zum 24.02.2010 ist in 10 Monaten ebenfalls ein deutlich höherer Verbrauch von 32.024 m3 gemessen worden als in dem streitgegenständlichen Zeitraum. Ein Grund, weshalb der Verbrauch in dem Abrechnungszeitraum vom 27.03.2007 bis zum 27.03.2008 deutlich unterhalb des Verbrauchs des kürzeren vorherigen Abrechnungszeitraums und des Zeitraums ab dem 27.04. 2009 liegen sollte, ist nicht erkennbar. Soweit der Bekl. darauf verweist, die Verbrauchszahlen für das Objekt seien nach der Übernahme des Objekts aufgrund von Sparmaßnahmen geringer ausgefallen, mag dies zutreffen. Die nach Übernahme des Objekts eingeleiteten Energiesparmaßnehmen vermögen aber nur den geringeren Verbrauch für den Abrechnungszeitraums vom 06.05. 2006 bis zum 26.03.2007 erklären. Es gibt aber-abgesehen von einem Zählerdefekt – keine Erklärung dafür, weshalb der Verbrauch für das streitgegenständliche Jahr nochmals signifikant hinter dem des Vorjahres und auch des letzten Jahres zurückgeblieben sein sollte.

b)   Die Kl. hat den nachberechneten Verbrauch von insg. 32.060 m3 ermessensfehlerfrei gern. § 18 Abs. 1 Satz 2 Alt.2 GasGVV auf der Grundlage des vorjährigen Verbrauchs im Wege einer Schätzung unter der angemessenen Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse ermittelt. Die Kl. hat den nachberechneten Verbrauch von 32.060 m3 auf der Grundlage des Vorjahresverbrauchs von 29.175 m3 ermittelt. Die Art und Weise der Verbrauchsermittlung ist nicht zu beanstanden. Das Ergebnis der Verbrauchsschätzung bewegt sich in den Grenzen des korrekt festgestellten Verbrauchs für das Vorjahr. Zwar haben Schätzungen auf der Grundlage des Verbrauchs des letzten vollen Kalenderjahrs vor der Feststellung des Fehlers zu erfolgen (Hempel/Franke-Hempel, AVBeltV2001, § 21 Rn. 64). Im vorliegenden Fall ist jedoch ausnahmsweise die Schätzung des Verbrauchs auf der Grundlage eines geringfügig kürzeren Zeitraums von 11 Monaten zulässig. Die Verbrauchsschätzung kann nicht auf einen längeren Zeitraum gestützt werden, da der Bekl. das Objekt erst am 01.05.2006 übernommen hat. Auf den „fehlenden“ Monat April lässt die Kl. gern. der Anlage K 5 zu dem Schriftsatz vom 15.01.2010 unter Berücksichtigung der Gradtagszahlen ermessensfehlerfrei 9 % des Gasverbrauchs entfallen. Dies entspricht in etwa dem Verbrauch für den klimatisch vergleichbaren Monat Oktober und liegt im Mittel zwischen dem maximalen Verbrauch im Januar und dem geringsten Verbrauch im Juli und August.

c)   Von dem auf diese Weise ermittelten Gesamtverbrauch hat die Kl. mit der Abrechnung vom 14.04.2008 bereits 21.027 m3 abgerechnet. Daher schuldet der Bekl. im Wege der Nachberechnung die Zahlung des vertraglich vereinbarten Gaspreises für die noch nicht berechneten 11.033 m3. Nachberechnet hat die Kl. 121.046 kWh auf der Grundlage der vom Bekl. prinzipiell akzeptierten Gaspreise. Dabei hat sie einen Faktor für die Umrechnung des in Kubikmetern gemessenen Gasverbrauchs in Kilowattstunden von 10,97 zu Grunde gelegt. Soweit der Bekl. die Richtigkeit des Faktors bestreiten will, ergeben sich aus den vorliegenden Rechnungen, die Umrechnungsfaktoren von 11,2 und 11,21 ausweisen, keine Anhaltspunkte dafür, dass der für alle Kunden der Kl. gleichermaßen geltende Faktor fehlerhaft ermittelt ist.

 Die Kl. hat für den Abrechnungszeitraum vom 27.03.2008 bis zum 27.03.2009 einen Anspruch gegen den Bekl. auf Zahlung weiterer 1.881,05 € aus §§ 453 Abs. 1, 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Energielieferungs- und Versorgungsvertrag. Im Berufungsverfahren streiten die Parteien lediglich darüber, ob das Landgericht den Zahlungsanspruch der Kl. der Höhe nach zutreffend errechnet hat. Die Verbrauchsmenge haben die Parteien mit 33.000 m3 unstreitig gestellt. Dahin stehen kann, ob der Senat an die Schätzung des Preises durch das erstinstanzliche Gericht gem. § 287 ZPO gebunden ist. § 287 ZPO findet keine Anwendung, soweit es um die Höhe vertraglicher Ansprüche geht. Im Rahmen eines bestehenden Gaslieferungsvertrages ist der Gasverbrauch nach einem Zählerdefekt auf der Grundlage einer Schätzung entsprechend § 11 Abs. 3 Satz 1 GasGVV unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse abzurechnen (Hempel/Franke-Hempel, AVBeltV 2003, § 24 Rn. 3). Die Abrechnung auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse erfolgt unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Gaspreise sowie des unterschiedlichen Jahresverbrauchs und nicht auf der Grundlage eines Durchschnittspreises. Daher ist der Preis für die Verbrauchsmenge von 33.000 m3durch eine verhältnismäßige Herabsetzung der in der Rechnung vom 09.06.2009 dargestellten Preise für einen Verbrauch von 36.737 m3 zu ermitteln. Soweit der Bekl. rügt, die Kl. habe die Berechnungsgrundlage für die in Ansatz gebrachten Gaspreise und Jahresverbräuche nicht dargelegt, ist dies nicht zutreffend. Die der Berechnung zugrunde liegenden Faktoren, nämlich die Einzelpreise und die jahreszeitlichen Verbräuche, ergeben sich aus der streitgegenständlichen Rechnung vom 09.06.2009. ( … )

Gez.

Vors. Richter am OLG

 

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