zum Zahlungsverzug ohne Mahnung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV; BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1 – BGH, Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 215/15

Die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV gewährt dem Grundversorger das ein einseitiges Recht im Sinne des § 315 BGB zur Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit (§ 271 BGB) .

BGH, Urt. v. 25.01.2017 – VIII ZR 215/15 (RdE 9/2017)

ein Beitrag von Rechtsanwalt K. Paliakoudis – Stuttgart

Viele Amts- und  Landgerichte  wenden die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV/GasGVV falsch an, indem dem Grundversorger das Recht eine Leistungszeitbestimmung vorzunehmen abgesprochen wird. Diese Rechtsansicht ist falsch und wurde vom BGH nun ausgeurteilt.

Im Einzelnen aus der Entscheidung:

Aus den Gründen:

„…Das Berufungsgericht habe verkannt, dass dem Grundversorger durch § 17 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung – Strom GVV) vom 26.10.2006 (BGBl. I, S. 2391) ein einseitiges Recht zur Bestimmung der Leistungszeit i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingeräumt werde. Das Berufungsgericht habe daher rechtsfehlerhaft angenommen, der Beklagte könne nicht gern. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen einer nach dem Kalender bestimmten Leistungszeit ohne Mahnung in Verzug geraten sein.“

„Denn die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV ist – auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten in der Einspruchsbegründung vorgebrachten Argumente – dahin auszulegen, dass sie dem Grundversorger ein einseitiges Recht i.S.d. § 315 BGB zur Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit (§ 271 BGB) gewährt. § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV bestimmt, dass Rechnungen und Abschläge zu dem vom Grundversorger angegebenen Zeitpunkt, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht jedoch nicht bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV gegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Abgesehen davon, dass eine reine Wortinterpretation schon deshalb ausscheidet, weil der Wortlaut eines Gesetzes im Regelfall keine starre Auslegungsgrenze zieht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.04.2016 -1 BvR 1147/12,[ … J Rn. 7; BVerfGE 88, 145, 166 f.; BVerfGE 118,212, 243), will die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nach ihrem Sinn und Zweck sowie ihrer Entstehungsgeschichte erkennbar nicht im buchstäblichen Sinne des Wortes »Fälligkeit« dem Grundversorger allein die Bestimmung des Zeitpunkts überlassen, von dem ab er die Zahlung fordern kann, sondern auch das Recht einräumen, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Kunde leisten soll.“

„ Entgegen der Auffassung des Beklagten lässt sich auch aus der – von ihm unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik angeführten – Formulierung »frühestens« in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nicht ableiten, dass dann, wenn zwischen dem angegebenen Zahlungszeitpunkt und dem Zugang der Zahlungsaufforderung nicht mindestens zwei Wochen liegen, die Fälligkeit »eben« erst zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung eintrete, so dass dann die Leistungszeit nicht gern. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam nach dem Kalender bestimmt sei, sondern nur bestimmbar sei (so Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, Band 5, Stand August 2003, § 27 AVBEltV Rn. 57). Hierfür bestünde im Hinblick auf § 271 Abs. 1 BGB und § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV kein Bedürfnis. Denn wenn es nur darum gegangen wäre, die Fälligkeit um zwei Wochen hinauszuschieben, hätte es nahe gelegen, die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV dahin abzufassen, dass Forderungen des Grundversorgers erst zwei Wochen nach Zugang der Rechnung fällig werden; die Angabe eines Zahlungszeitpunkts durch den Versorger wäre dann entbehrlich gewesen. Vor diesem Hintergrund kommt der genannten Regelung die weitergehende Bedeutung einer Leistungszeitbestimmung zu. Allerdings hält der Grundversorger die durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV vorgegebene (Ermessens-)Grenze bei der Bestimmung der Leistungszeit nicht ein, wenn der von ihm in der Rechnung angegebene Zeitpunkt für die Fälligkeit nicht wenigstens zwei Wochen nach dem Zugang der Rechnung liegt. Die Leistungszeitbestimmung ist dann unbillig und – wie im Versäumnisurteil des Senats näher ausgeführt insgesamt unwirksam, so dass der Kunde in diesem Fall keine Verzugszinsen zu zahlen hätte.“

„Vielmehr setzt § 17 Abs. 2 StromGVV nach seinem Regelungsgehalt umgekehrt gerade einen nach § 17 Abs. 1 StromGVV eingetretenen Zahlungsverzug voraus……

Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht auch nicht die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs. 1 AVBEltV – der Vorgängervorschrift, die in § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV übernommen wurde – gegen die vom Senat vorgenommene Auslegung. Aus dem Umstand, dass anstelle der ursprünglich vom Verordnungsgeber vorgesehenen Formulierung, dass Rechnungen zu dem angegebenen Zeitpunkt »zu zahlen sind«, die Worte »fällig werden« gewählt wurden, kann – anders als der Beklagte meint – nicht geschlossen werden, dass die Fälligkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nicht mit dem Eintritt des Schuldnerverzugs verbunden sei (vorausgesetzt, dass der angegebene Zeitpunkt für die Fälligkeit wenigstens zwei Wochen nach dem Zugang der Rechnung liegt). Denn eine inhaltliche Veränderung sollte nach dem Willen des Verordnungsgebers mit dieser rein redaktionellen Änderung nicht verbunden sein.“

„…. § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nach dem Willen des Verordnungsgebers (BR-Drucks. 76/79, S. 63) nicht nur den Kundenbelangen dadurch Rechnung tragen soll, dass der Versorger bei seiner einseitigen Leistungszeitbestimmung zu beachten hat, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von wenigstens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung verbleibt, um seinerseits ausreichend Zeit zur Prüfung der Rechnung und zur finanziellen Disposition zu haben. Im Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Elektrizitätsversorgung soll sie vielmehr – wie im Versäumnisurteil des Senats (Rn. 32 f.) näher ausgeführt auch ein zügiges Inkasso für den Grundversorger ermöglichen. Ein zügiges Inkasso wird aber gerade dadurch gefördert, dass der Kunde bereits ohne das Erfordernis einer Mahnung i.S.d. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verzug gerät und die damit verbundenen Verzugsfolgen ihn zur baldigen Zahlung für die bereits erhaltene Stromlieferung anhalten.“

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