Zur Haftung einzelner Wohnungseigentümer für Wasser- und Abwasserentgelte WEG – BGH Urteil vom 20.01.2010- VIII ZR 3290

Zur Haftung einzelner Wohnungseigentümer für Wasser- und Abwasserentgelte WEG § 10 Abs. 1, 6, 8; BGB § 421

 Für Verbindlichkeiten aus einem Vertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer haften die Wohnungseigentümer nur dann als Gesamtschuldner, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (Bestätigung von BGHZ 163, 154).

ein Beitrag von Rechtsanwalt Paliakoudis / Stuttgart

 Der BGH hat am 20.01.2010 folgendes Urteil erlassen:

Bundesgerichtshof

76133 Karlsruhe

Az: VIII ZR 329/08 (LG Berlin)

Verkündet am

20.1.2010

Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Energieversorger

Klägerin

 Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte X

 gegen

 Beklagter J. ,

Beklagter

 Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte X

wegen X

 hat der BGH durch den Richter X für R e c h t erkannt:

Tatbestand:

  1. Die Beklagten (Bekl.) sind – neben anderen – Miteigentümer eines Grundstücks in Berlin und als solche Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft „A …. 6“. Die Klägerin (Kl.) versorgt das Grundstück mit Frischwasser und entsorgt das auf dem Grundstück anfallende Schmutzwasser.
  2. Die Kl. nimmt die Bekl. als Gesamtschuldner auf Zahlung restlichen Entgelts in Höhe von 3.565,91 € für die Belieferung mit Wasser und die Entsorgung des Abwassers im Zeitraum vom 28.4.2006 bis 27.3.2007 in Anspruch. Hinsichtlich der Frischwasserversorgung stützt sie sich hierbei auf die „Ergänzenden Bedingungen der Berliner Wasserbetriebe zu den Allgemeinen Bedingungen für die Wasserversorgung“, die auszugsweise lauten wie folgt:

(1)      Vertragsabschluss (zu § 2 AVBWasserV)

  1. Die Wasserbetriebe liefern Wasser aufgrund eines privatrechtlichen Versorgungsvertrages. Der Versorgungsvertrag wird im Allgemeinen mit dem Eigentümer … des anzuschließenden Grundstücks abgeschlossen …

(2)      Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so wird der Versorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner …“

(3)      Bezüglich der Abwasserentsorgung sieht die Kl. die gesamtschuldnerische Haftung der Bekl. auf der Grundlage der »Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in Berlin (ABE)« als begründet an, die auszugsweise lauten wie folgt:

„§ 1 Vertragsverhältnis

(1) …

(2) …

Vertragspartner der Berliner Wasserbetriebe sind der Grundstückseigentümer

(3) Tritt an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes, so wird der Entsorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geschlossen. Jeder Wohnungseigentümer haftet als Gesamtschuldner …

… „

[4J Nach entsprechender Erklärung der Bekl. zu 1 hat das Amtsgericht

gegen diese ein Teilanerkenntnisurteil in Höhe von 1.188,64 € erlassen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das Landgericht der Klage hinsichtlich aller drei Bekl. stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstreben die Bekl. zu 2 und 3 – die Bekl. zu 1 hat in den Rechtsmittelverfahren keine Anträge mehr gestellt – die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils, soweit es die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen hat.

Aus den Gründen

[5] Die Revision hat Erfolg.

[6J I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

[7J Der Kl. stehe ein Anspruch auf Zahlung der streitgegenständlichen Forderungen aus den zwischen der Kl. und allen Wohnungseigentümern der Wohnungseigentümergemeinschaft „A …. 6“ zustande gekommenen Verträgen über die Versorgung bzw. Entsorgung des Grundstücks zu.

[8J Die jeweiligen Vertragsangebote der Kl. lägen in der Bereitstellung von Leistungen ihres Versorgungsunternehmens. Diese Realofferten hätten sich vorliegend an die Grundstückseigentümer gerichtet. Die Kl. habe in ihren Versorgungsbedingungen hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich ihr Vertragsangebot an den „Grundstückseigentümer“, bei einer „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ an diese richte. Dies bedeute bei verständiger Auslegung, dass die Kl. unmittelbar mit den einzelnen Wohnungseigentümern habe kontrahieren wollen, da diese – und nicht die

grundbuchunfähige Eigentümergemeinschaft – Grundstückseigentümer bzw. Miteigentümer seien. Die nach den Vertragsbedingungen an die „Gemeinschaft von Wohnungseigentümern“ gerichteten Angebote seien jeweils mit dem Zusatz versehen, dass jeder Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner hafte. Diese Regelung sei klar und eindeutig. Ein weiterer Anhalt für dieses Auslegungsergebnis liege in dem Umstand, dass die Grundstücke in Berlin dem Anschluss- und Benutzungszwang unterlägen, der bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft die einzelnen Miteigentümer treffe; dies spreche dafür, dass diese und nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Adressaten der Vertragsangebote der Kl. anzusehen

seien.

[9] Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2007 (VIII ZR 125/06) stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar sei dort ausgeführt

worden, dass nach Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft nunmehr im Außenverhältnis in der Regel der Verband der Wohnungseigentümer Vertragspartner sei; dies betreffe indes nur die – hier nicht vorliegende – Konstellation, dass das Versorgungsunternehmen mit dem Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft einen Versorgungsvertrag schließe.

[10] II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Bekl. für die von der Kl. geforderten Entgelte ergibt sich weder aus Vertrag noch aus dem Gesetz.

[11] 1. Die Realofferten der Kl. richteten sich, anders als das Berufungsgericht meint, nach den vorstehend wiedergegebenen Vertragsbedingungen der Kl. nicht an die einzelnen Wohnungseigentümer, sondern an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die hiervon abweichende Auslegung des Berufungsgerichts bindet den Senat nicht. Bei den Versorgungsbedingungen der Kl. handelt es sich zwar um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren räumlicher Geltungsbereich sich auf das Land Berlin beschränkt. Gleichwohl erstreckt sich ihre Geltung »über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus«; denn je nach Streitwert der Entgeltklage ist im Berufungsrechtszug das Kammergericht oder das Landgericht Berlin zuständig. Die daraus resultierende Gefahr widerstreitender Berufungsurteile hat sich, worauf das Berufungsgericht hinweist, auch bereits verwirklicht. Der Senat kann die hier in Rede stehenden Klauseln der Vertragsbedingungen

der Kl. daher selbst unbeschränkt auslegen (vgl. BGHZ 163,321,323 f.).

[12] Die genannten Klauseln sind dahin auszulegen, dass die Vertragsangebote sich an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer richten. Denn sie bestimmen ausdrücklich, dass dann, wenn an die Stelle eines Hauseigentümers eine Gemeinschaft von Wohnungseigentümern tritt, der Ver- beziehungsweise Entsorgungsvertrag mit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgeschlossen wird. Mit der konkludenten Annahme der Angebote der Kl. sind Verträge über die Belieferung mit Wasser und die Abwasserentsorgung jeweils mit der Wohnungseigentümergemeinschaft,

nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern zustande gekommen. Der Bezug von Frischwasser und die Entsorgung des auf dem gemeinsamen Grundstück anfallenden Abwassers sind Verwaltungsangelegenheiten der Wohnungseigentümergemeinschaft. Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums

am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 163, 154 ff.), die der Gesetzgeber zum 1. 7. 2007 in der Vorschrift des § 10 Abs. 6 WEG umgesetzt hat, rechtsfähig. Dies hat Konsequenzen für das Haftungssystem. Konnte ein Gläubiger für Schulden der Gemeinschaft nach früherer Auffassung sämtliche Wohnungseigentümer

als Vertragspartner und somit als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen, ist Vertragspartner nunmehr in der Regel das teilrechtsfähige Subjekt, der Verband. Er haftet mit seinem Verwaltungsvermögen. Daneben kommt eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer nicht von Gesetzes wegen, sondern nur in Betracht, wenn sie sich neben dem Verband klar und eindeutig auch persönlich verpflichtet haben (BGHZ 163, 154, 172 f.).

[13] Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar sehen die Vertragsbedingungen der Kl. jeweils vor, dass jeder Wohnungseigentümer

als Gesamtschuldner haftet. Hieraus ergibt sich indessen nicht klar und eindeutig, dass eine akzessorische gesamtschuldnerische Haftung der Wohnungseigentümer persönlich neben der Haftung des Verbands begründet werden sollte. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die hier zu beurteilenden Vertragsbedingungen der Kl. aus der Zeit vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft stammen. Unter diesen Umständen spricht gegen ein solches Verständnis schon die Tatsache, dass nach damaliger Auffassung mangels Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft allein eine persönliche Haftung der

Wohnungseigentümer in Betracht kam, so dass für die Begründung einer akzessorischen Haftung der Wohnungseigentümer neben der Gemeinschaft keine Veranlassung bestand (so zutreffend KG, Urteil vom 24. 1. 2008 –

19 U 8/07, juris). Erkennbarer Sinn der Klauseln kann es dann nur gewesen sein, die als gegeben vorausgesetzte Eigenhaftung der Wohnungseigentümer inhaltlich dahin auszugestalten, dass jeder Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft als Gesamtschuldner und nicht nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil haften solle.

[14] 2. Auch das Gesetz sieht eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Wohnungseigentümer für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vor. Gemäß § 10 Abs. 8 Satz 1 WEG haftet vielmehr jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils für Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft.

[15] III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 2 und 3 entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat verwehrt, da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist. Denn die Bekl. Haften für die Schulden der Wohnungseigentümergemeinschaft zwar nicht als Gesamtschuldner, jedoch gemäß § 10 Abs.8 Satz 1 des am 01.07.2007 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetzes nach dem Verhältnis ihres jeweiligen Miteigentumsanteils. § 10 Abs. 8 WEG ist als Vorschrift des materiellen Rechts, für das eine § 62 Abs. 1 WEG entsprechende Übergangsvorschrift fehlt, auch auf vor Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsgesetzes entstandene Wohnungseigentümergemeinschaften anwendbar (BGH, Urteil vom 18.8.2009 – VII ZR 196/08, NJW2009,2521, Tz. 14 m.w.N.). Zu den Miteigentumsanteilen der Bekl. zu 2 und 3 hat das Berufungsgericht – aus seiner Sicht folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Gez.

Richter

Schreibe einen Kommentar