§ 19 StromGVV / GasGVV / § 33 AVBWasserV – einstweilige Verfügung – Einstellung bzw. Unterbrechung der Energieversorgung – Amtsgericht Stuttgart 9 C 2537/10

§ 19 StromGVV / GasGVV / § 33 AVBWasserV – einstweilige Verfügung – Einstellung bzw. Unterbrechung der Energieversorgung – Amtsgericht Stuttgart 9 C 2537/10

  • Energieversorgungsunternehmen sind bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung gemäß § 19 Abs. 2, S.2 StromGVV berechtigt, die Stromversorgung zwei Wochen nach vorheriger Androhung einzustellen
  • § 19 Abs. 2 StromGVV sieht die Einstellung der Versorgung grundsätzlich vor, auch wenn hiermit regelmäßig erhebliche Beeinträchtigungen seitens der Kunden eintreten.

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

H.G.

– Antragsteller –

gegen

Energieversorgungsunternehmen

– Antragsgegnerin –

wegen einstweiliger Verfügung

hat das Amtsgericht Stuttgart durch Richterin N. auf die mündliche Verhandlung vom 18.08.2010

für RECHT erkannt:

1.      Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart 9 C 2573/10 – vom 20.05.2010 wird aufgehoben.

2.      Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens

3.      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 886 EUR

Tatbestand:

Der Anspruchssteller befand sich zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Stromzufuhr mit 886,98 EUR im Zahlungsrückstand. Bereits am 15.12.2009 drohte ihm die Antragsgegnerin an, den Stromanschluss zu sperren, sollte der Antragsteller die zum damaligen Zeitpunkt ausstehenden 579,98 EUR nicht bis zum 22.12.2009 begleichen. Daraufhin leistet der Antragsteller am 02.02.2010 eine Zahlung in Höhe von 100,00 EUR. Am 22.03.2010 informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut über die offenen Posten. Gleichzeitig wurde die Einstellung der Energieversorgung gem. § 19 Abs. 2 StromGVV angekündigt. Mit Schreiben vom 28.04.2010 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Ratenzahlung ab. Am 03.05.2010 kündigte die Antragsgegnerin die Sperrung des Stromanschlusses zum 17.05.2010 an. Mit Schreiben vom 12.05.2010 bat der Vertreter des Antragstellers nochmals um Gewährungen von Ratenzahlung. Am Vormittag des 19.05.2010 wurde die Stromzufuhr für die Wohnung des Antragstellers eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt lebten in der Wohnung des Antragstellers dessen Frau und der gemeinsame 2 Monate alte Säugling. Die Wohnung bezieht Warmwasser über einen mit Strom betriebenen Boiler. Am 20.05.2010 musste der Antragsteller mit dem Säugling einen Arzt aufsuchen, da das Kind die nicht erwärmte Nahrung nicht vertrug, an Durchfall und Erbrechen litt und an Gewicht verlor. Mit Beschluss vom 20.05.2010 verfügte das Amtsgericht Stuttgart ohne Anhörung der Antragsgegnerin, dass die Antragsgegnerin ab sofort die Stromzufuhr für die Wohnung des Antragstellers wieder zu gewähren habe. Der Beschluss wurde der Antragsgegnerin am 25.05.2010 zugestellt. Am selben Tag wurde die Energieversorgung durch die Antragstellerin wieder aufgenommen. Am 29.06.2010 beantragt der Antragsteller bei der ARGE Job-Center Landkreis Esslingen die Gewahrung eines Darlehns zur Ablösung der offenen Forderung der Antragsgegnerin. Am 03.08.2010 wurden die Zahlungsrückstande des Antragstellers in Höhe von 1.276,33 EUR durch die ARGE Job-Center Landkreis Esslingen bezahlt.

Der Antragsteller behauptet, er sei grundsätzlich zahlungswillig gewesen, jedoch nicht in der Lage den ausstehenden Betrag auf einmal zu zahlen. Der Antragsteller ist der Ansicht, die Unterbrechung der Stromzufuhr stehe außer Verhältnis zu dem rückständigen zu zahlenden Betrag, insbesondere da die Versorgung des Säuglings mit Säuglingsnahrung erfolgte, die erhitzt werden musste. Die Pflege des Säuglings erforderte zudem Warmwasser. Bei nicht unverzüglicher Wiederaufnahme der Stromversorgung hätte Gefahr für die Gesundheit des Kindes bestanden.

Der Antragsteller beantragt,

den Widerspruch der Antragsgegnerin/Widerspruchsführerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart – 9 C 2537/10 – vom 20.05.2010 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass der Beschluss unzulässig sei, weil dieser der Antragsgegnerin nicht innerhalb der gesetzlichen Frist zugestellt worden sei und weil dieser eine Vorwegnahme der Hauptsache darstelle. Der Beschluss sei zudem unbegründet, da seitens des Antragstellers kein konkreter Zahlungswille erkennbar sei. Der Antragsteller könne darauf verwiesen werden, für die Zubereitung der Säuglingsnahrung Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, außerdem könne er den Stromanbieter wechseln. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB könne keine Verpflichtung der Antragsgegnerin abgeleitet werden, das Risiko der persönlichen Lebenssituation des Antragsstellers zu tragen und trotz erheblicher Rückstände weiterhin Strom zu liefern.

Beim Schluss der mündlichen Verhandlung bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Falls es erneut zu Zahlungsrückständen kommen sollte, wäre zunächst eine Mahnung und die Androhung der Einstellung der Stromzufuhr erforderlich, bis der Strom erneut abgestellt werden könnte.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18.08.2010 (B1. 85 – 87) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag des Antragstellers vom 20.05.2.010 ist nicht begründet.

I.

1.

Es besteht kein Verfügungsanspruch. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Wiederherstellung der Stromversorgung. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller wegen offener Forderungen aus dem Stromlieferungsvertrag den Stromanschluss für die Verbrauchsstelle Musterstrasse 3, Musterstadt nach vorheriger zweiwöchiger Ankündigung am 19.05.2010 gesperrt. Die Antragsgegnerin ist als Elektrizitätsversorgungsunternehmen bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung gemäß § 19 Abs. 2, S. 2 StromGVV berechtigt, die Stromversorgung zwei Wochen nach vorheriger Androhung einzustellen. Am 19.05.2010, zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Stromzufuhr, befand sich der Antragsteller mit Zahlungen in Höhe von 886,98 EUR in Rückstand. Die Antragstellerin hatte die Zahlung mehrmals, zuletzt mit Schreiben vom 28.04.2010, angemahnt und am 03.05.2010 die Vornahme der Sperrung zum 17.05.2010 angekündigt. Die Einstellung der Stromlieferung stand vorliegend auch nicht außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sein zum Zeitpunkt der Sperrung 2-monatiger Säugling mit Säuglingsnahrung ernährt werde, die erwärmt werden müsse und er zur Versorgung des Kindes zudem dringend auf Warmwasser angewiesen sei, wobei auch die Warmwasserversorgung Strom gebunden sei. § 19 Abs. 2 StromGVV sieht die Einstellung der Versorgung grundsätzlich vor, auch wenn hiermit regelmäßig erhebliche Beeinträchtigungen seitens der Kunden eintreten. Der Antragssteller war unstreitig nicht in der Lage, den gesamten Rückstand in Höhe von 886,96 EUR auf einmal zu zahlen. Der Antragsteller hat jedoch vorgetragen, er sei grundsätzlich zahlungswillig und bereit, die ausstehende Forderung in Raten zu begleichen. Die Antragsgegnerin ist jedoch nicht verpflichtet, eine Ratenzahlungsvereinbarung abzuschließen. Seine Zahlungsbereitschaft hätte der Antragsteller dadurch unter Beweis stellen können, dass er regelmäßig weitere Beträge auf den fälligen Rückstand zahlt. Die Antragsgegnerin hätte die Annahme dieser Teilzahlungen sicherlich nicht verweigert, sondern seinem Kundenkonto gutgeschrieben. Soziale Hilfsbedürftigkeit oder eine soziale Notlage sind nicht vom Antragsgegner, sondern von den entsprechenden Sozialhilfeträger zu beheben. Der Antragsgegner hatte – wie die Antragsgegnerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen und durch Vorlage des entsprechenden Schriftverkehrs nachgewiesen hat – ausreichend Zeit, sich um einen Ausgleich der offenen Forderung der Antragsgegnerin durch Einschaltung der Sozialbehörden zu bemühen. Vorliegend drohte die Antragsgegnerin erstmals am 15.12.2009 und ein weiteres Mal am 22.03.2010 die Einstellung der Stromversorgung an. Der Antragsgegner hat in diesem Zeitraum lediglich einmal einen Betrag in Höhe von 100,00 EUR überwiesen. Weder hat er weitere Zahlungen geleistet noch hat er bei der ARGE Jobcenter Landkreis Esslingen ein Darlehen gern. § 23 Abs. 18GB 11 zur Übernahme der rückständigen Zahlungen gegenüber der Antragsgegnerin beantragt, wie er es letztlich erst am 29.06.2010 tat.

2 .

Es besteht darüber hinaus kein Verfügungsgrund. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung des Verfügungsgrundes ist der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Antragsgegnerin hat am 20.05.2010 die Stromzufuhr wieder hergestellt und den Antragsteller seither mit Strom beliefert. Die ARGE Jobcenter Landkreis Esslingen hat die offenen Stromrechnungen mitsamt der angelaufenen Zinsen und Kosten am 03.08.2010 gezahlt. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, dass in absehbarer Zeit die Einstellung der Stromzufuhr durch die Antragsgegnerin droht.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

gez. N.

Richterin

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