§ 18 StromGVV: Falscher bzw. um eine Kommastelle verschobener Zählerstand / Berechnungsfehler / Rückforderung von unter Vorbehalt geleisteter Zahlungen / Verjährung / Verwirkung
- Nach § 18 Abs. 2 StromGVV ist ein Rückforderungs- bzw. Nachzahlungsanspruch auf längstens drei Jahre befristet.
- Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass technische Mängel oder menschliches Versagen bei der Erfassung und Abrechnung der gelieferten Energie auch bei sorgfältiger Kontrolle und Organisation der Verbrauchserfassung und -abrechnung nicht zu vermeiden sind (OLG Hamm, a. a. 0., Rn. 5 zu § 21 AVBEltV; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2009, 1 bis 3 U 28/08, 3 U 28/08, zitiert nach Juris, Rn. 46 zur AVBeltV). Unter den weitem Begriff des Berechnungsfehlers fallen alle Elemente des Gesamtpreises (BGH, Urteil vom 29.01.2003, VIII ZR 92/02, zitiert nach Juris, Rn. 13; LG München, Urteil vom 07.12.2004, 26 O 6255/04, zitiert nach Juris: „sämtliche Fehler bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages“).
- Die nachträglich als fehlerhaft erkannten Abrechnungen entfalten gegenüber dem Kunden keine Bindungswirkung und lassen die Forderung des Versorgungsunternehmens dem Grunde und der Höhe nach unberührt (OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2007, 19 U 68/06, zitiert nach Juris, Rn. 4 m.w.N.).
- Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Im Anwendungsbereich des § 18 StromGVV, ist für den Verwirkungstatbestand allenfalls in Ausnahmefällen Raum.
ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart
Das nachfolgende Urteil wurde vom Landgericht Stuttgart am 28.01.2010 erlasssen.
Die vom Landgericht Stuttgart angewandten Vorschriften der StromGVV können aufgrund ihrer Gleichheit zu den Vorschriften der GasGVV bzw. AVBWasserV entsprechend angewandt werden; bei Anwendbarkeit der Vorschriften in Fällen der AVBWasserV ist zu beachten, dass gemäß § 21 AVBWasserV der Anspruch auf längstens zwei Jahre beschränkt ist.
Landgericht Stuttgart
26. Zivilkammer
Geschäftszeichen: 26 O 465/09
Verkündet am
28. Januar 2010
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Rechtsstreit
T. H.
– Kläger-
gegen
Energieversorgungsunternehmen
– Beklagte –
wegen Forderung
hat die 26. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2010 durch
Vors. Richterin am Landgericht G.
als Einzelrichter
für R E C H T erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 26.11.2009 zu bezahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Kläger und Beklagte können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 5.816,42 €
Tatbestand:
Die Beklagte ist Energieversorger und beliefert den Kläger auf der Grundlage der Verordnung zum Erlass von Regelungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung im Energiebereich (im Folgenden: StromGVV) mit Strom.
Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung von unter Vorbehalt der Rückforderung am 01.10.2009 geleisteten Zahlungen, insbesondere Nachzahlungen aus Stromkosten in Höhe von insgesamt 5.816,42 €. Seit dem Jahr 2002 hatte die Beklagte den jährlichen Stromverbrauch des Klägers auf der Grundlage der von ihm – korrekt – mitgeteilten Zählerstände berechnet, dabei aber die Zählerstände um je eine Kommastelle (nach links) verschoben in ihrem Abrechnungssystem erfasst und zur Grundlage ihrer Jahresabrechnungen gemacht. Dies hatte zur Folge, dass der Verbrauch des Klägers nicht ordnungsgemäß erfasst und zu gering in Rechnung gestellt wurde, so dass die Beklagte dem Kläger jedenfalls ab dem Jahre 2004 für Strombezug einen Betrag zwischen 260,00 € und 333,00 € jährlich berechnete (vgl. Anlagen B 1 bis B 6, BI. 59 ff. d. A.). Nachdem sie den Fehler anlässlich einer am 11.05.2009 durchgeführten Kontrollablesung ihres Außendienstmitarbeiters bemerkt hatte, berichtigte die Beklagte unter Hinweis darauf, dass gemäß Grundversorgungsordnung bei Berechnungsfehlern der Anspruch auf drei Jahre begrenzt sei, die aktuelle Jahresabrechnung und die beiden vorangehenden Rechnungen und forderte den Kläger zur Nachzahlung auf. Auf der Grundlage der Abrechnung mit korrekten Zählerständen ergaben sich folgende Nachforderungen:
Für den Zeitraum vom 18.06.2006 bis 12.04.2007 1.553,00 €
(B 9, BI. 87)
für den Zeitraum vom 13.04.2007 bis 12.04.2008 1.611,22 €
(B 10, BI. 94 ff.)
und für den Zeitraum vom 13.04.2008 bis 12.04.2009 2.157,43 €
(B 11, BI. 101).
Nachdem die Beklagte nach vorangegangener außergerichtlicher Korrespondenz mit Schreiben vom 15.09.2009 (K 8, BI. 37) ihre Gesamtforderung auf 5.816,42 € beziffert und eine Einstellung ihrer Energielieferungen für den Fall der Nichtleistung angedroht hatte, zahlte der Kläger den genannten Betrag unter Vorbehalt der Rückforderung. Dieser Betrag errechnet sich aus von der Beklagten auf 5.330,86 € bezifferten Nachzahlungsbetrag für Energielieferungen, 5,56 € Bankrücklastgebühren, Mahnkosten von 8,00 € und zwei Abschlagszahlungen für August und September 2009 in Höhe von insgesamt 536,00 € abzüglich Zahlungen des Klägers von 64,00 €.
Der Kläger meint, die Beklagte sei zur Rückzahlung dieses Betrages verpflichtet, da ein Anspruch auf Nachzahlung nicht bestehe. Während die Beklagte über einen Zeitraum von sieben Jahren durch Verschieben der Kommastelle ihren Berechnungen einen fehlerhaften Grundwert zugrunde gelegt habe und nicht schutzwürdig sei, habe er den Zählerstand immer richtig angegeben und deshalb darauf vertrauen dürfen, dass er korrekt in die Berechnung einfließe. Im Hinblick darauf liege bereits kein Berechnungsfehler im Sinne von § 18 StromGVV vor und sei diese Vorschrift nicht anwendbar. Jedenfalls seien Ansprüche der Beklagten verwirkt, da sie durch ihr Verhalten einen Vertrauenstatbestand geschaffen und der Kläger hierauf vertraut habe. In Betracht komme schließlich eine Analogie zu § 556 Abs. 3 BGB.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, 5.816,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.10.2009 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht,
ein Rückforderungsanspruch des Klägers bestehe nicht. Da der Verbrauch um eine Kommastelle verschoben erfasst worden sei, liege ein Berechnungsfehler vor. Durch die – von ihr beachtete – zeitliche Befristung des Nachzahlungsanspruchs gemäß § 18 StromGVV auf längstens drei Jahre sei der Kunde hinreichend geschützt. Der – zeitlich begrenzt geltend gemachte – Rückforderungsanspruch sei weder verwirkt noch liege ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Nachdem sie den Fehler festgestellt habe, habe sie ihre Rechte nach § 18 StromGVV wahrgenommen und ihre Abrechnungen korrigiert. Es sei der Kläger, der bei diesem augenfälligen und durch normale Ursache nicht erklärbaren geringen Verbrauch hätte erkennen können, dass ihm die Beklagte einen zu geringen Gebrauch berechne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist weitgehend unbegründet. Die Beklagte ist lediglich verpflichtet, an den Kläger 17,21 € gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alternative BGB zurückzuzahlen, die sich aus 9,21 € überzahlter Stromkosten sowie 8,00 € Mahnkosten zusammensetzen. Ein weitergehender Rückforderungsanspruch des Klägers besteht nicht, da die Beklagte die übrigen Zahlungen des Klägers nicht ohne rechtlichen Grund erlangt hat.
Im Einzelnen:
1.
Der Beklagten steht gemäß § 433 Abs. 2 BGB (zur Rechtsnatur des Stromlieferungsvertrages differenzierend Tegethof/Büdenbinder/Klinger, Das Recht der öffentlichen Energieversorgung, Band 2, § 1 AVBEltV/AVBGasV, Rn. 27 ff.) i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrag ein Anspruch auf Zahlung des sich auf der Grundlage ihrer korrigierten Abrechnungen vom 15.06.2009 – gegen deren rechnerische Richtigkeit sich der Kläger nicht wendet – ein Anspruch auf Zahlung des Nachforderungsbetrages von insgesamt 5.321,65 € zu, der sich aus einer Addition der Einzelrechnungen (B 9 bis B 11) ergibt.
1.1
Der Anspruch der Beklagten ist nicht durch die vorangegangenen Abrechnungen ausgeschlossen. Diese – nachträglich als fehlerhaft erkannten – Abrechnungen entfalten keine Bindungswirkung und lassen die Forderung dem Grunde und der Höhe nach unberührt (OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2007, 19 U 68/06, zitiert nach Juris, Rn. 4 m.w.N.).
1.2
Nichts anderes ergibt sich aus dem – als zwingendes Recht in jeden Stromlieferungsvertrag einbezogenen (vgl. Tegethof, a. a. 0., zu § 1 AVBEltV/AVBGasV, Rn. 24) und hier nach seinen Voraussetzungen auch anwendbaren § 18 StromGVV. S. 1 dieser Nom bestimmt, dass der zu viel oder zu wenig berechnete Betrag zu erstatten oder nachzuentrichten ist, wenn eine Prüfung der Messeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenze ergibt oder Fehler in der Ermittlung des Rechnungsbetrages festgestellt werden. Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass technische Mängel oder menschliches Versagen bei der Erfassung und Abrechnung der gelieferten Energie auch bei sorgfältiger Kontrolle und Organisation der Verbrauchserfassung
und -abrechnung nicht zu vermeiden sind (OLG Hamm, a. a. 0., Rn. 5 zu § 21 AVBEltV; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2009, 1 bis 3 U 28/08, 3 U 28/08, zitiert nach Juris, Rn. 46 zur AVBeltV). Unter den – vorliegend allein in Rede stehenden – weitem Begriff des Berechnungsfehlers fallen alle Elemente des Gesamtpreises (BGH, Urteil vom 29.01.2003, VIII ZR 92/02, zitiert nach Juris, Rn. 13; LG München, Urteil vom 07.12.2004, 26 O 6255/04, zitiert nach Juris: „sämtliche Fehler bei der Ermittlung des Rechnungsbetrages“). Bestandteil der verbrauchsabhängigen Berechnung des Strompreises sind gerade auch die Zählerstände, deren Differenz zu Beginn und zum Ende einer Abrechnungsperiode den Verbrauch des Kunden wiedergeben. Werden der Berechnung falsche Zählerstände zugrunde gelegt – und sei es bei richtig abgelesenem Zählerstand nur durch die Verschiebung einer Kommastelle – wird der Verbrauch des Kunden unrichtig erfasst und damit die Abrechnung falsch. Nach § 18 Abs. 2 StromGVV ist ein Rückforderungs- bzw. Nachzahlungsanspruch in einem solchen Fall auf längstens drei Jahre befristet. Diesen Schutzcharakter des § 18 Abs. 2 StromGVV verkennt der Kläger, der die Vorschrift vorliegend nicht für anwendbar hält. Wäre seine Auffassung zutreffend, hätte dies zur Folge, dass – in den Grenzen der mit dem objektiven Drei-Jahreszeitraum des § 18 Abs. 2 StromGVV nicht identischen, subjektiv berechneten Verjährung (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, a. a. 0., Rn. 46) die Beklagte nicht gehindert wäre, Nachzahlungen auch für einen Zeitraum zu verlangen, der vor den hier streitigen Abrechnungsperioden liegt.
1.3.
Die Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, ihre Nachforderungen durchzusetzen. Insbesondere sind ihre Ansprüche nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Anspruchs ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens. Sie schließt die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus (ständige Rechtsprechung, z. B. BGH, Urteil vom 19.10.2005, XII ZR 224/03, zitiert nach Juris, Rn. 22; BGH, Urteil vom 16.03.2007, V ZR 190/06, zitiert nach Juris, Rn. 8) und kann selbst dann eintreten, wenn der Berechtigte, hier also die Beklagte, keine Kenntnis von seiner Berechtigung hat (BGH, Urteil vom 16.03.2007, a. a. 0.).
Ein Recht ist danach verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGH in ständiger Rechtsprechung, z. B. BGH vom 19.10.2005, a. a. 0.). Die Annahme einer Verwirkung setzt somit neben dem Zeitablauf (sog. Zeitmoment) das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus (sog. Umstandsmoment) (BGH, Urteil vom 19.10.2005, a. a. 0., Rn. 23; OLG Düsseldorf a.a.0., Rn. 58). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Weder ist es mit Treu und Glauben unvereinbar, dass die Beklagte das ihr zustehende Recht geltend macht noch ist die Leistung unter diesem Gesichtspunkt für den Kläger unzumutbar. Im Anwendungsbereich des § 18 StromGVV, ist für den Verwirkungstatbestand allenfalls in Ausnahmefällen Raum. § 18 Abs. 1 StromGVV begrenzt unter Abwägung der Interessen einerseits der Stromkunden, andererseits der Energieversorgungsunternehmen den Zeitraum, für den die berechneten Strompreise rückwirkend korrigiert werden können, soweit sie aufgrund von Mess-, Ablese- oder Berechnungsfehlern fehlerhaft errechnet worden sind, ohnehin auf drei Jahre (BGH, Urteil vom 16.06.2004, VIII ZR 248/03 zu § 21 Abs. 2 AVBEltV, der eine zeitliche Befristung von zwei Jahren enthielt). Bezogen auf Nachforderungsansprüche des Energieversorgungsunternehmens ist zu berücksichtigen, dass diesem einerseits Einnahmen entgehen können, andererseits aber vermieden werden muss, dass der Kunde größeren Nachforderungen ausgesetzt wird, die weit in die Vergangenheit zurückreichen (vgl. die amtliche Begründung des Bundesministers für Wirtschaft zu § 21 AVBEltV, zitiert nach Tegethof, Abschnitt IV A § 21-1). Die zeitliche Beschränkung des Nachberechnungs- und Nachforderungsrechts auf einen Zeitraum von drei Jahren basiert auf der Erwägung, dass der Abnehmer darauf vertrauen darf, dass die ihm im Anschluss an die Zählerablesung erteilte Rechnung vollständig und richtig ist und er deshalb mit dem Ausgleich der Rechnung seine Zahlungsverpflichtungen erfüllt hat und jedenfalls keinen weit zurückliegenden Nachforderungen mehr ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 29.01.2003, VIII ZR 92/02, zitiert nach Juris, Rn. 13 m. w. N.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.01.2009, a. a. 0., Rn. 50; OLG Hamm, a. a. 0., Rn. 6; AG Essen, Urteil vom 26.01.2009,131 C 531/08, zitiert nach Juris, Rn. 11 – sämtliche Entscheidungen zu den vergleichbaren Regelungen der §§ 21 AVBEltV und § 21 AVBWasserV). Da § 18 Abs. 2 StromGVV unter Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Gedanken des Vertrauensschutzes schon Rechnung trägt, müssen für die Annahme einer Verwirkung des zeitlich beschränkten Nachforderungsrechts besondere Umstände hinzutreten. Solche macht der Kläger nicht geltend. Ein Nachforderungsrecht der Beklagten ist – wie das in § 18 Abs. 1 StromGVV normierte Nachorderungsrecht zeigt – nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sie für die hier streitbefangenen Abrechnungsperioden in der Vergangenheit Jahresabrechnungen erteilt und der Kläger diese bezahlt hat. Der Argumentation des Klägers, er habe die Zählerstände stets richtig abgelesen und habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass diese in die Abrechnungen der Beklagten auch korrekt einfließen würden, diese deshalb richtig und etwaige Ansprüche der Beklagten durch seine Zahlungen erledigt seien, trägt der Verordnungsgeber mit der Befristungsregelung des § 18 Abs. 2 StromGVV bereits Rechnung: Obwohl sich auf Seiten der Beklagten derselbe Übertragungsfehler (Verschieben der Kommastelle) seit 2002, also sieben Abrechnungsperioden lang wiederholt hat, darf die Beklagte Nachforderungen lediglich begrenzt auf einen Zeitraum von drei Jahren erheben. Im Hinblick darauf und entsprechend der Erwägung, dass im Anwendungsbereich kurzer Verjährungsfristen für eine Verwirkung grundsätzlich kein Raum ist, spricht vorliegend vieles dafür, dass bereits das sog. Zeitmoment nicht erfüllt ist. Jedenfalls fehlt es aber am Umstandsmoment. Ein durch ein Verhalten der Beklagten veranlasstes Vertrauen dahin, dass die Beklagte Nachforderungen nicht geltend machen werde und das über den durch § 18 Abs. 2 StromGVV ohnehin geschützten Vertrauenstatbestand hinaus geht, macht der Kläger nicht geltend. Allein der Umstand, dass die Beklagte denselben Fehler sieben Abrechnungsperioden lang wiederholt, rechtfertigt es nicht, dass der Kläger darauf vertraut, sie werde – wenn sie diesen Fehler schließlich bemerkt – keinerlei Nachforderungen stellen. Entgegen seiner Ansicht ist der Kläger – mit Blick auf die zeitliche Befristung nach § 18 Abs. 2 StromGVV – auch im konkreten Fall nicht schutzwürdiger als die Beklagte: Der Beklagten hätte der Übertragungsfehler zwar bei einer stichprobenartigen Überprüfung durch Vergleich der Ablesekarten mit den Abrechnungen auffallen können, mindestens dieselbe „Chance“ hatte aber auch der Kläger. Dem steht nicht entgegen, dass er das Reihenhaus, für das die Stromlieferungen erfolgt sind, erst im Jahr 2001 erworben hat und ihm deshalb – jedenfalls aufgrund eigenen Verbrauchs – keine Vergleichsabrechnungen zur Verfügung standen. Trotzdem hätte ihm auffallen können, dass die jährlichen Stromkosten für ein Reihenhaus mit 100 m2 auffallend niedrig sind. Hätte ihn dies zu einer genaueren Überprüfung der Abrechnungen der Beklagten veranlasst, hätte er bemerken können, dass die von ihm abgelesenen Zählerstände und damit sein Verbrauch in der Abrechnung nicht korrekt wiedergegeben werden. Schließlich fehlt es an jeglichem Vortrag einer Vertrauensinvestition des Klägers. So macht er insbesondere nicht geltend, dass er den – sich jetzt ergebenden, auffallend hohen Stromverbrauch – bei einer früheren Kenntnis des tatsächlichen Verbrauchs reduziert hätte.
1.4
Das Nachforderungsrecht der Beklagten ist auch nicht in analoger Anwendung des § 556 Abs. 3 BGB auf ein Jahr beschränkt. Voraussetzung der analogen Anwendung einer Norm – also der Übertragung der für einzelne, bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand – ist das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, Einleitung vor § 1 Rn. 48). Bereits hierin fehlt es im Hinblick auf die spezielle Regelung des § 18 StromGVV.
1.5
Einwendungen gegen die Berechnung der Nachforderungen erhebt der Kläger nicht. Insbesondere hat die Beklagte die Dreijahresfrist des § 18 Abs. 2 StromGVV richtig zurückgerechnet, nämlich von dem Zeitpunkt an, in welchem der Abnehmer von der Möglichkeit, wegen eines Berechnungsfehlers in Anspruch genommen zu werden, aufgrund eigener Feststellungen oder durch Mitteilung des Versorgungsunternehmens jedenfalls dem Grunde nach Kenntnis erlangt hat (BGH, Urteil vom 29.01.2003, a. a. 0., Rn. 16). Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 15.06.2009 korrigierte Abrechnungen erteilt, die auf den Zeitraum bis 18.06.2006, somit drei Jahre vom Zugang des Schreibens vom 15.06.2009 zurückgerechnet, zurückgehen.
2.
Gegen die Forderung der Beklagten auf Zahlung von Rücklastschriftgebühren für einen am 01.07.2009 – vor Kenntnis der Einwendungen des Klägers – vergeblich durchgeführten Forderungseinzug in Höhe von 5,56 € und die neu festgesetzten Abschlagszahlungen für August und September 2009 in Höhe von je 268,00 € insgesamt also 536,00 €, wendet sich der Kläger nicht.
3.
Mahnkosten für die Schreiben vom 10.08. und 01.09.2009 kann die Beklagte dem gegenüber nicht als Verzugsschaden beanspruchen. Der Kläger hatte die Forderungen der Beklagten bereits durch anwaltliches Schreiben vom 08.07.2009 (K 3, BI. 32) zurückweisen lassen, an das sich eine inhaltliche Korrespondenz der Parteien anschloss. Im Hinblick darauf war die Versendung formularmäßiger Mahnschreiben weder veranlasst noch erforderlich, so dass die Beklagte die hierdurch entstandenen Kosten unter Verstoß gegen die ihr nach § 254 BGB obliegende Schadensminderungspflicht veranlasst und selbst zu tragen hat.
4.
Danach ergibt sich folgende Abrechnung:
Berechtigte Forderungen der Beklagten:
Nachzahlung Stromkosten für den Zeitraum 18.06.2006
Bis 13.04.2009 5.321,65 €
Rücklastschriftgebühren 5,56 €
Abschlagszahlungen für August und September 2009 536,00 €
insgesamt: 5.863,21 €
abzüglich Zahlung des Klägers 64,00 €
Restforderung: 5.799,21 €
vom Kläger bezahlt 5.816,42 €
zurück zu gewährende Überzahlung somit: 17,21 €
5.
Dieser Betrag ist gemäß §§ 291, 288 BGB seit Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
gez. G.
Vors. Richterin am Landgericht
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