Zustandekommen eines Energieversorgungsvertrags / Verwirkung / Kündigung eines Versorgungsvertrags – Amtsgericht Bad Urach 2 C 344/07

Zustandekommen eines Energieversorgungsvertrags / Verwirkung / Kündigung eines Versorgungsvertrags

  • Der Kunde tritt in das Vertragsverhältnis durch entsprechende Mitteilung seines Vermieters ein, vgl. § 32 Abs. 2 AVBEltV, die Zustimmung des Energieversorgungsunternehmens ergibt sich aus der weiteren Energielieferung (§ 151 Satz 2 BGB).
  • Die Kündigung eines Versorgungsvertrags bedarf der Schriftform (§ 32 Abs. 7 AVBEltV).
  • Verwirkung ist ein Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung. Ein Recht ist verwirkt, wenn es illoyal verspätet geltend gemacht wird. Der Tatbestand der Verwirkung ist erfüllt, wenn zu dem bloßen Zeitablauf besondere Umstände hinzutreten, die ein Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen.

ein Beitrag von Rechtsanwalt Konstantinos Paliakoudis – Stuttgart

 

Das nachfolgende Urteil wurde vom Amtsgericht Bad Urach am 26.09.2008 erlassen.

Die angewandten Vorschriften der AVBEltV durch das Amtsgericht Bad Urach können aufgrund ihrer Gleichheit zu den Vorschriften der AVBGasV entsprechend auf die Vorschriften der nunmehr geltenden GasGVV angewandt werden.

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Amtsgericht Bad Urach

72574 Bad Urach

Az: 2 C 344/07

Verkündet am

26.9.2008

Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In Sachen

Energieversorgungsunternehmen (EV)

– Klägerin –

gegen

Beklagter J. ,

– Beklagter –

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Bad Urach durch den Richter H. auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2008

für R E C H T erkannt:

  1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bad Urach vom 14.12.2007 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, 1.012,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB p.a. seit 01.11.2005 zu bezahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil in seiner Ziff. 1 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Urteil wegen der Kosten und aus dem Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bad Urach vom 14.12.2007 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 1.012,30 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Stromlieferungsvertrag.

Der Beklagte mietete im Juli 2004 eine Imbissbude in der Musterstrasse 100 in Musterstadt und wurde vom Vermieter am 16.07.2004 als neuer Strombezieher an die Klägerin gemeldet. Er bezog in der Folgezeit Strom von der Klägerin und eröffnete am 02.08.2004 seinen Imbiss „Zum S.“. Die Klägerin stellte dem Beklagten am 17.01.2005 an die Adresse Musterstrasse 100 in Musterstadt eine Rechnung über den Strombezug für den Zeitraum 16.07.2004 bis 15.12.2004 in Höhe von 854,38 € (Anlage K 2). Am 01.03.2005 stellte sie dem Beklagten an die Musterstrasse 100 in Musterstadt eine Schlussrechnung über den Strombezug für den Zeitraum 16.12.2004 bis 03.02.2005 in Höhe von 201,92 € (Anlage K 3). Am 26.10.2005 beantragte sie den Erlass eines Mahnbescheides, der dem Beklagten am 31.10.2005 zugestellt wurde. Der Beklagte legte am 09.11.2005 Widerspruch ein. Seine Mutter, die Zeugin J., meldete sich am 11.11.2005 telefonisch bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Klägerin, der Zeugin D.. Diese übersandte ihr mit Schreiben vom 14.11.2005 (Anlage K 5) Kopien der beiden Rechnungen. Die Zeugin J. erhob mit Schreiben vom 20.11.2005 u.a. die Einwendungen, der Beklagte habe den Imbiss nur von Mitte August bis Mitte November 2004 geführt und sei dann nach Berlin gezogen. Er habe es als selbstverständlich angesehen, dass der Vermieter auch für die Abmeldung sorgt. Er habe handschriftlich mitgeteilt, dass er den Zählerstand nicht mitteilen könne, das sei zugleich die Abmeldung. Die Klägerin bezahlte am 02.08.2007 die Gerichtskosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens ein, das Amtsgericht Bad Urach bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.11.2007 und erließ am 14.12.2007 ein Versäumnisurteil, indem der Beklagte zur Zahlung vom 1.012,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.03.2005 verurteilt wurde und ihm die Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.

Der Beklagte hat am 01.02.2008 Einspruch eingelegt und macht geltend, der Stromlieferungsvertrag sei am 08.10.2004 von der Zeugin J. telefonisch gekündigt worden, außerdem auch schriftlich mit Schreiben vom 16.11.2004. Außerdem habe er sein Gewerbe bei der Stadt Musterstadt zum 15.11.2004 wieder abgemeldet. Danach habe die Klägerin nicht reagiert bis am 11.11.2005 der Mahnbescheid zugestellt worden sei. Daraufhin habe die Zeugin J. die Sachbearbeiterin D. angerufen und mit ihr die Einzelheiten besprochen. Frau D. habe zugesagt, den Mahnbescheid zurückzunehmen, ihr Rechnungskopien zu übersenden und aufgrund ihrer Stellungnahme zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Als Bearbeitungszeit dafür habe sie sechs Wochen angegeben. Die Zeugin J. habe ihre Stellungnahme am 20.11.2005 abgegeben, aber keine Antwort erhalten, auch nicht auf weitere telefonische Anfragen und auf eine erneute schriftliche Anfrage am 13.02.2006. Der tatsächliche Verbrauchszeitraum sei aus den Rechnungen nicht ersichtlich und werde bestritten. Außerdem sei die Geltendmachung der Forderung verwirkt, weil erst eineinhalb Jahre später als Reaktion eine Anspruchsbegründung eingegangen sei. Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin hätte rechtzeitig (Ende 2005/Anfang 2006) mitteilen können und müssen, dass die Forderung weiter bestehe. So habe er darauf vertrauen und sich darauf einrichten können, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werde.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bad Urach vom 14.12.007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bad Urach vom 14.12.007 aufrecht zu erhalten.

Sie bestreitet, dass die Zeugin J. den Vertrag telefonisch gekündigt habe. Der Beklagte bzw. die Zeugin J. hätten erstmals am 11.11.2005 telefonisch mit der Zeugin D. Kontakt aufgenommen. Die schriftliche Kündigung sei erstmals mit der Stellungnahme der Zeugin J. vom 20.11.2005 bei der Klägerin eingegangen, also lange nach Ende des Abrechnungszeitraums. Einen Zugang vor diesem Datum bestreitet sie. Ein Ableser der Beklagten habe am 03.02.2005 die Imbissbude aufgesucht und festgestellt, dass sie leer stand. Er habe den Endstand des Zählers mit 42.557,20 kwh abgelesen und in einem Ableseprotokoll (Anlage K 4) dokumentiert. Der Beklagte habe auf Rechnungen und Mahnungen nicht reagiert und keine aktuelle Anschrift mitgeteilt, weshalb dann Mahnbescheid beantragt worden sei. Auf den Anruf der Zeugin J. habe die Zeugin D. unmissverständlich erklärt, dass der Beklagte den offenen Betrag aus der streitgegenständlichen und zwei weiteren Abnahmestellen bis 15.12.2005 bezahlen müsse, dann werde die Klägerin auf Zinsen und Kosten verzichten. Das ergebe sich auch aus dem Schreiben der Klägerin vom 14.11.2005. Außerdem sei schon aus dem Mahnantrag für jeden vernünftigen Dritten ersichtlich, dass die Klägerin auf ihre Forderung nicht verzichten, sondern sie durchsetzen wolle. Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin D.. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 28.08. 2008 verwiesen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte geltend gemacht, die Zeugin J. habe der Klägerin im Herbst 2004 mitgeteilt, diese solle sich wegen der Ablesung mit dem Vermieter in Verbindung setzen. Er selbst habe aber keinen Auftrag zur Ablesung erteilt. Schließlich hat er bestritten, dass die Höhe des abgelesenen Stromverbrauchs zutreffend war, es seien womöglich noch andere Stromverbraucher im Gebäude auf diesen Zähler gelaufen und nicht nur sein Imbiss. Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Prozessakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und bis auf Nebenforderungen auch begründet. Das Versäumnisurteil bleibt insoweit aufrecht erhalten.

I.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des tariflichen Entgelts für die abgerechneten Stromlieferungen im Zeitraum von 16.07.2004 bis 03.02.2005.

1.

Der Stromlieferungsvertrag zwischen den Parteien unterliegt der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV vom 21.06.1979, BGBI. I, 684-692). Der Beklagte ist in das Vertragsverhältnis durch die Mitteilung des Vermieters vom 16.07.2004 (vgl. § 32 Abs. 2 AVBEltV) eingetreten, die Zustimmung der Klägerin ergibt sich aus der weiteren Energielieferung (§ 151 Satz 2 BGB). Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, dass der Strombezug durch den Kläger mit Mietbeginn am 16.07.2004 begonnen hat und nicht erst mit der Eröffnung des Imbisses am 02.08.2005.

2.

Durch eine telefonische Mitteilung der Zeugin J. am 08.10.2004 kann der Vertrag nicht beendet worden sein, denn die Kündigung bedarf der Schriftform (§ 32 Abs. 7 AVBEltV). Ein erneuter Wechsel der Vertragsparteien gemäß § 32 Abs. 5 AVBEltV kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Beklagte ausdrücklich vorträgt, es sei gekündigt worden, und nicht einmal behauptet, dass eine Fortsetzung des Strombezuges durch einen Nachmieter oder den Vermieter mitgeteilt wurde. Außerdem fehlt es insoweit an einer Zustimmung der Klägerin; diese kann man erst annehmen, wenn dem bisherigen Kunden wenigstens aufgrund abgelesener Verbrauchswerte eine Schlussabrechnung gestellt werden kann. Das war hier aber nicht der Fall. Dem Schreiben der Zeugin J. vom 20.11.2004 ist insoweit zu entnehmen, dass der Beklagte die Imbissbude im November 2004 verlassen habe, ohne die Stromzähler abzulesen und danach keinen Zugang mehr gehabt habe. Wenn der Beklagte mit dem Vermieter vereinbart hatte, dass dieser die Ummeldung des Stromzählers für ihn übernimmt, und diese Verpflichtung nicht erfüllt worden ist, mag der Beklagte sich mit dem Vermieter auseinandersetzen. Das gilt auch für den Einwand, es seien womöglich auch noch andere Stromverbraucher auf den Zähler des Beklagten gelaufen, die mit der Imbissbude nichts zu tun hatten. Mit der Abmeldung des Gewerbes bei der Stadt Musterstadt hat der Beklagte zwar eine öffentlich-rechtliche Pflicht nach der Gewerbeordnung erfüllt, aber auf den Bestand des Energielieferungsvertrages hat das keinen Einfluss. Es kommt deswegen überhaupt nicht darauf an, wann diese Abmeldung erfolgt ist und welches Datum dabei angegeben wurde.

Der Energielieferungsvertrag ist auch nicht durch eine schriftliche Kündigung des Beklagten vom 16.11.2004 beendet. Die schriftliche Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die nur wirksam wird, wenn sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 BGB). Dass die Kündigung vom 16.11.2004 nicht nur unterschrieben und abgeschickt wurde, sondern der Klägerin auch tatsächlich zugegangen ist, hat der Beklagte nicht unter Beweis stellen können. Für den Zugang hat er gar keinen Beweis angeboten. Es ist zwar unstreitig, dass die Zeugin J. der Klägerin am 20.11.2005 nochmals eine Kopie dieses Schreibens geschickt hat, diese ist aber jedenfalls erst lange nach Ende des hier streitigen Abrechnungszeitraums dort eingegangen. Dieses Vorbringen des Beklagten ist im Übrigen mit dem Schreiben der Zeugin J. vom 20.11.2005 nicht in Einklang zu bringen, denn dort wird eine schriftliche Kündigung des Energielieferungsvertrages für die Abnahmestelle Musterstadt mit keinem Wort erwähnt, sondern nur eine handschriftliche Notiz des Beklagten, mit dem die Zeugin J. auch dieses Kündigungsschreiben selbst verfasst und mit der Unterschrift des Beklagten abgeschickt haben soll. Die wiederholten Hinweise des Klägervertreters auf die prozessuale Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) sind für das Gericht in diesem Zusammenhang durchaus nachvollziehbar.

Es mag durchaus sein, dass der Beklagte die Imbissbude in der Musterstrasse 100 in Musterstadt Mitte November 2004 verlassen und sich nach Berlin begeben hat. Damit ist der Energielieferungsvertrag aber nicht beendet. Wenn der Gebrauch von Elektrizität vom Kunden ohne ordnungsgemäße Kündigung eingestellt wird, haftet er dem Energieversorger nach § 32 Abs. 4 AVBEltV trotzdem weiter für die Bezahlung des Grundpreises und des Arbeitspreises für den Verbrauch, den der Stromzähler anzeigt, sowie für alle weiteren Verbindlichkeiten aus dem Energielieferungsvertrag. Dies gilt, bis der Vertrag ordnungsgemäß beendet wird. Das ist hier erst durch die Schlussabrechnung der Klägerin vom 01.03.2005 (Anlage K 3) geschehen, die ausdrücklich auch eine Kündigungserklärung auf den 03.02.2005 enthält.

Daraus folgt, dass die Klägerin das tarifliche Entgelt für den Strombezug von 16.07.2004 bis 03.02.2005 vom Beklagten in Höhe von insgesamt 1.012,30 € fordern kann. Den Zählerstand von 35.357 kWh bei Vertragsbeginn am 16.07.2004 hat der Beklagte nicht bestritten. Den Zählerstand bei Ende des Vertrages am 03.20.2005 von 42.557,20 kWh hat er zwar bestritten. Dieses Bestreiten ist aber prozessual unbeachtlich, weil es erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 24.09.2008 erfolgt ist. Darüber hinaus ist der Zählerstand auch durch das Ableseprotokoll vom 03.02.2005 (Anlage K 4) belegt.

3.

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

a)

Verwirkung ist ein Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung. Ein Recht ist verwirkt, wenn es illoyal verspätet geltend gemacht wird. Der Tatbestand der Verwirkung ist erfüllt, wenn zu dem bloßen Zeitablauf besondere Umstände hinzutreten, die ein Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (vgl. BGH, Urt. v. 20.10.1988, Az.VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, 298 mwN).

b)

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

aa)

Die Klägerin hat bereits durch die Einleitung des Mahnverfahrens im Oktober 2005 gezeigt, dass sie ihre Forderung gegen den Beklagten geltend machen und auf dem Rechtsweg durchsetzen will. Aus dem Telefongespräch zwischen den Zeuginnen D. und J. vom 11.11.2005 lässt sich nichts dafür herleiten, dass der Beklagte darauf vertrauen durfte, die Forderung würde nicht mehr geltend gemacht werden. Die Zeugin D. hat in der mündlichen Verhandlung keine konkrete Erinnerung mehr an dieses Telefongespräch gehabt. Aber selbst wenn das Vorbringen des Beklagten zutrifft, hat er bzw. seine Mutter mit dem Mahnbescheid zum ersten Mal überhaupt Kenntnis von der Forderung erlangt und hatten keine Rechnungen vorliegen, so dass sie gar nicht in der Lage waren, konkrete Einwände zu erheben. Dazu passt es, dass sie vortragen, Frau D. habe eine Übersendung von Rechnungskopien und eine Prüfung und ggf. Korrektur der Rechnung zugesagt, wenn sie berechtigte Einwendungen dagegen erheben. Ein Verzicht auf die Forderung oder eine Rücknahme des Mahnantrags kann dann aber nicht vereinbart worden sein, sondern allenfalls ein vorläufiger Stopp des Mahnverfahrens. Die Rücknahme des Antrags auf Mahnbescheid hätte einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründen können, ist aber nie erfolgt.

Aus dem Schreiben der Klägerin vom 14.11.2005, mit dem die Rechnungskopien übersandt wurden, ist ohne weiteres zu entnehmen, dass die Klägerin auf vollständiger Bezahlung aller ihrer Rechnungen bestanden hat und allenfalls bereit war, auf Zinsen und Kosten zu verzichten, wenn alle Außenstände prompt bezahlt würden. Nach diesem Schreiben konnte der Beklagte keinesfalls darauf vertrauen, dass die Klägerin ihre Forderung nicht weiter geltend machen würde, unabhängig davon, was vorher telefonisch besprochen worden war.

Die Zeugin D. hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie auf das Schreiben der Zeugin J. vom 20.11.2005 nicht geantwortet hat. Die Klägerin also nicht mehr unternommen, bis im August 2007 beim Mahngericht Kosten für die Durchführung des streitigen Verfahrens einbezahlt und am 16.08.2007 eine Anspruchsbegründung eingereicht wurde. Aber auch dieses Verhalten ist nicht ausreichend, um eine Verwirkung der Forderung anzunehmen. Das folgt schon daraus, dass sich aus dem Schreiben der Zeugin J. vom 20.11.2005 keine Einwendungen gegen die gesamte Forderung ergeben. Die Zeugin hat darin ausgeführt, dass der Beklagte den Imbiss nur in der Zeit von Mitte August bis Mitte November 2004 geführt habe und nicht von Mitte Juli 2004 bis Februar 2005. Dass die Klägerin aufgrund dessen die gesamte Forderung nicht mehr geltend machen und der Beklagte auch für die Monate August bis November 2004 nichts mehr bezahlen müsste, hätten der Beklagte und seine Mutter beim besten Willen nicht erwarten können. Das Vorbringen des Beklagten zeigt außerdem, dass er ebenso wie seine Mutter davon ausgegangen ist, dass die Klägerin sich noch dazu äußern wird, ob die Forderung reduziert wird. Das ergibt sich schon daraus, dass die Zeugin J. dem nach ihrem Schreiben noch mehrmals bei der Sachbearbeiterin D. angerufen haben soll. Die Zeugin D. hat in der mündlichen Verhandlung einen weiteren Brief der Zeugin J. vom 13.02.2006 vorgelegt (BI. 172 dA), aus dem deutlich hervorgeht, dass sie die Angelegenheit gerade nicht als erledigt ansieht und noch eine Antwort auf ihr Schreiben vom 20.11.2005 erwartet, ob die Forderung jetzt reduziert wird.

Nach alledem war die Klägerin zwar über einen Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren, von 20.11.2005 bis 16.08.2007, untätig. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf Seiten des Beklagten, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht wird, konnte sich aber dennoch nicht entwickeln, weil die Klägerin schon das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet und den Mahnantrag nicht zurückgenommen hatte. Außerdem hatte sie zuletzt mit Schreiben vom 14.11.2005 auf ihrer Forderung in voller Höhe bestanden.

Mit den geltend gemachten Einwendungen konnte der Beklagte auch nicht ernsthaft erwarten, dass er überhaupt nichts mehr auf die Forderung zahlen muss. Das Schreiben der Zeugin J. vom 13.02.2006 zeigt schließlich, dass sie tatsächlich auch nicht darauf vertraut hat, dass die Klägerin diese Forderung nicht mehr geltend machen würde.

Verwirkung ist damit nicht eingetreten, auch nicht für einen Teil der Forderung.

Die Klage ist nach alledem in der Hauptsache in vollem Umfang begründet.

II.

Verzugszinsen ab 17.03.2005 konnten der Klägerin nicht zugesprochen werden. Das Gericht kann nicht annehmen, dass die Rechnungen der Klägerin vom 17.01.2005 und vom 01.03.2005 dem Beklagten zugegangen sind und er nach Ablauf von zwei Wochen in Verzug geraten ist. Beide Rechnungen sind an die Anschrift Musterstrasse 100 in Musterstadt gerichtet, die der Ableser der Beklagten bereits am 03.02.2005 verlassen vorgefunden hatte. Aus § 27 Abs. 1 AVBEltV ergibt sich im Übrigen nur die Fälligkeit zwei Wochen nach Zugang der Rechnung, aber nicht der Eintritt des Verzuges. Der Beklagte schuldet lediglich Prozesszinsen gemäß § 291 BGB ab Zustellung des Mahnbescheides am 31.10.2005. Das Versäumnisurteil vom 17.12.2007 war deshalb insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gez.

Richter H.

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