§ 2 GasGVV: Zustandekommen eines Versorgungsvertrag eines Mieters durch Gasentnahme – AG Mannheim: Urteil vom 04.12.2009 – 3 C 390/09

§ 2 GasGVV:  Zustandekommen eines Versorgungsvertrag eines Mieters durch Gasentnahme

  • Entnimmt der Mieter dem Versorgungsnetz Gas und hat er die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Gasentnahme inne, kommt gemäß § 2 Abs. 2 GVV ein Versorgungsvertrag zustande.
  • Dem steht die Vereinbarung des Mieters mit seinem Vermieter nicht entgegen, wonach er monatliche Vorschüsse auch auf den Gasbezug leistet, denn maßgeblich ist auf den Horizont und die Verständnismöglichkeit des Gasversorgers abzustellen (a. A. OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 6.12.2005 – 9 U 61/05). Der Wille des Mieters, keinen eigenen Versorgungsvertrag abschließen zu wollen, ist nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen unbeachtlich. 

 AG Mannheim: Urteil vom 04.12.2009 – 3 C 390/09

ein Beitrag von Rechtsanwalt K. Paliakoudis – Stuttgart

Das Amtsgericht Mannheim hat am 04.12.2009 folgendes Urteil erlassen:

In dem Rechtsstreit

Versorgungsunternehmen

Klägerin

gegen

Kunden

 – Beklagter

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Mannheim durch den Richter am Amtsgericht R. auf die mündliche Verhandlung vom 05.11.2009 für

R E C H T

erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 658,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2005 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 5,00 EUR zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerseite gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht mit ihrer Klage Zahlungsansprüche aus einem Energieversorgungsvertrag geltend.

Der Beklagte bewohnte im Zeitraum vom 01.07.2004 bis 30.04.2005 eine Wohnung im Anwesen Musterstrasse  in Musterstadt. Er hatte hierzu mit dem Vermieter  V.  einen Mietvertrag geschlossen, in dem die monatliche Miete 1.100,- € betrug. Für Nebenkosten wurden 150,- € entrichtet (vgl. hierzu entsprechenden Mietvertrag).

Die Klägerin belieferte in diesem Zeitraum das Anwesen mit Gas und rechnete mit Rechnung vom 10.05.2005 einen Verbrauch in Höhe von insgesamt 658,20 € gegenüber dem Beklagten ab. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei zur Begleichung der Rechnung vom 10.05.2005 verpflichtet, eventuelle Absprachen des Beklagten mit seinem Vermieter seien zum einen unklar und berührten zum anderen nicht das Verhältnis der Klägerin zum Beklagten.

Verzug sei seit dem 31.05.2005 anzunehmen, nachdem eine in der Rechnung gesetzte Zahlungsfrist abgelaufen sei.

Die Klägerin beantragt daher,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 658,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.05.2005 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 5,- € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

Klageabweisung.

Er trägt vor, er habe zu keinem Zeitpunkt mit der Klägerin einen Vertrag geschlossen. Nachdem er eine monatliche Zahlung in Höhe von 150,- € bezüglich der anfallenden Heiz- und Warmwasserkosten mit dem Vermieter vereinbart habe, habe er davon ausgehen dürfen, dass die Versorgung der Wohnung mit Gas zum Zwecke der Beheizung über den Vermieter organisiert werde. Bei dieser Sachlage könne von einem konkludenten Vertragsschluss mit der Klägerin nicht ausgegangen werden.

Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 05.11.2009. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen.

Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten aus §§ 433 Abs. 2 BGB, 12, 16, 17 GVV einen Anspruch auf Zahlung der Gaslieferung für den Zeitraum vom 01.07.2004 bis zum 30.04.2005 in Höhe von unstreitig 658,20 €.

Der Beklagte ist dabei als Vertragspartner der Klägerin anzusehen.

Aus § 2 Abs. 2 GVV ergibt sich, dass ein Versorgungsvertrag auch dadurch zustande kommen kann, dass Gas aus dem Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung entnommen wird. Dies hat unstreitig der Beklagte getan.

Hinzu kommt vorliegend, dass der Beklagte als Mieter und Besitzer des abgerechneten Anwesens die nach außen sichtbare tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die entsprechende Gasentnahme im fraglichen Zeitraum hatte.

In dieser Kombination der tatsächlichen Gasentnahme und der Innehabung der tatsächlichen Gewalt ist durch sogenanntes sozialtypisches Verhalten des Beklagten ein Vertragsabschluss mit der Klägerin anzunehmen.

Dabei ist – wie im übrigen bei Willenserklärungen auch – dieses Verhalten so auszulegen, wie es der Erklärungsempfänger, hier die Klägerin, nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Stellt man richtigerweise auf den Horizont und die Verständnismöglichkeiten der Klägerin ab, spielt es letztlich keine Rolle, dass der Beklagte vorliegend möglicherweise eine andere Vertragsgestaltung mit seinem Vermieter getroffen hat, er im Verhältnis zu seinem Vermieter möglicherweise zur Entrichtung von Vorauszahlungen auch für den Gasbezug, der Vermieter zur Abrechnung des Gasverbrauchs gegenüber dem Beklagten, seinem Mieter, verpflichtet war. Auch dann, wenn der Beklagte damit (aus seiner Sicht) gegenüber der Klägerin gerade keinen eigenen Vertrag, auch nicht durch faktisches Verhalten, schließen wollte, spielt dies nach den obigen Auslegungsgrundsätzen gerade keine Rolle. Das Verständnis des Erklärenden bzgl. seiner Erklärung bzw. seines Verhalten ist vorliegend nicht ausschlaggebend.

Ein konkludenter Vertragsschluss könnte nur dann verneint werden, wenn ein Vertrag des Anbieters, hier der Klägerin, mit einem Dritten, gegebenenfalls dem Vermieter, besteht, aufgrund dessen die Lieferungen erbracht werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall, so dass auch diese Variante nicht zu einem Wegfall der Zahlungspflicht des Beklagten führt.

Soweit das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt in seiner Entscheidung vom 06.12. 2005, 9 U 61/05, danach differenziert, ob der dortige Hauptmieter nach den mietvertraglichen Vereinbarungen für den Energiebezug selbst dafür zu sorgen hatte und gehalten war, mit dem Versorgungsunternehmen einen Liefervertrag abzuschließen oder ob die Energieversorgung zu den vertraglichen Aufgaben des Vermieters gehörte, folgt das Gericht dieser Differenzierung ausdrücklich nicht. Das Innenverhältnis zwischen Mieter und Vermieter spielt aus Sicht des Gerichts für die Frage eines Vertragsschlusses durch konkludentes, sozialtypisches Verhalten gegenüber der Klägerin keine Rolle.

Der Klage war damit stattzugeben, soweit die Zahlung der Rechnung verlangt wurde. Sie war aber auch im Übrigen begründet.

In der Rechnung vom 10.05.2005 ist eine Fälligkeitsklausel zum 30.05.2005 enthalten. Diese Fälligkeitsklausel ist auf die Regelungen des § 17 GVV zurückzuführen. Diese Regelungen der GVV sind Teil der allgemeinen Vertragsgrundlagen, was nach § 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB zur Annahme des Verzugs ab dem 31.05.2005 führt.

Der Klage war damit insgesamt stattzugeben, die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 286, 288 BGB, 92, 713 ZPO.

AG Mannheim: Urteil vom 04.12.2009 – 3 C 390/09

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