Geeichte Messeinrichtung / Beweislast fehlerhafter Messung / Ableseprotokoll des Zählerstands
- Die vom Grundversorger gelieferte Elektrizität bzw. das vom Grundversorger gelieferte Gas wird durch Messeinrichtungen nach § 21 b EnWG festgestellt.
- Der Grundversorger ist verpflichtet, auf Verlangen des Kunden jederzeit eine Nachprüfung der Messeinrichtungen durch eine Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle im Sinne des § 2 Abs. 4 des EichG beim Messstellenbetreiber zu veranlassen. Die Kosten der Prüfung fallen dem Grundversorger zur Last, falls die Abweichung die gesetzlichen Verkehrsfehlergrenzen überschreitet, sonst dem Kunden.
- Die Verantwortlichkeit für eine einwandfreie Messung liegt beim Energieversorgungsunternehmen. Wenn nach den Prüfberichten des Prüfamtes die Messeinrichtung im Rahmen der zulässigen Abweichung richtig anzeigt, kann das Energieversorgungsunternehmen sich für die Richtigkeit der in Rechnung gestellten Energiemenge darauf berufen. Dem Abnehmer stehen Einwendungen unbeschadet einer gerichtlichen Nachprüfung des Prüfberichts, wo ihm allerdings die Beweislast obliegt, nicht zur Seite (OLG Zweibrücken vom 10.06.1987 RdE 1988, 162; OLG Düsseldorf 15.02.1985 RdE 1985, 144).
10.09.2010
ein Beitrag von Rechtsanwalt Theodoros Germalidis – Stuttgart
Die von den Energieversorgungsunternehmen eingesetzten Messeinrichtungen bzw. Zähler sind in der Regel geeicht. Ich habe noch keinen Zivilprozess erlebt, in welchem die Messeinrichtung bzw. der Zähler nicht geeicht war. In einem Prozess sollte man sich deshalb mit dem Einwand, die Messeinrichtung erfasse nicht den tatsächlichen Verbrauch oder dem Bestreiten einer ordnungsgemäßen Messung, äußerst zurückhalten. Ein derartiger Einwand sollte lediglich dann erfolgen, wenn bereits geprüft und festgestellt wurde, dass keine Verbrauchsgerätschaften einen hohen Energieverbrauch verursachen und ein Fehler lediglich an der Messeinrichtung vorliegen kann. Im Falle der Eichung des Zählers erfolgt eine Umkehr der Beweislast, so dass grundsätzlich der Gerichtsvorschuss für die Kosten der Einholung eines Sachverständigengutachten dem Kunden auferlegt werden. Erfahrungsgemäß sind die Erfolgsaussichten derartiger Einwände als gering einzustufen.
Das nachfolgende Urteil wurde vom Amtsgericht Esslingen am 21.04.2008 erlassen.
Die vom Amtsgericht Esslingen angewandten Vorschriften der StromGVV können aufgrund ihrer Gleichheit bzw. Ähnlichkeit zu den Vorschriften der GasGVV bzw. AVBWasserV entsprechend angewandt werden.
Amtsgericht Esslingen
Postfach 100952, 73709 Esslingen
Ritterstr. 8/10, 73728 Esslingen
Telefon: 0711/3962-163
Telefax: 0711/3962-100
Geschäftszeichen: 7 C 1384/07
Verkündet am
21.4.2008
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In Sachen
Energieversorgungsunternehmen
– Klägerin –
gegen
H. GmbH
– Beklagte –
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Esslingen durch Richter am Amtsgericht F. auf die mündliche Verhandlung vom 21.4.2008
für R E C H T erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.967,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 12.01.2007 zu bezahlen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Das Urteil ist für die Klägerin gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 3.967,43 Euro.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, aus einem Vertrag über die Lieferung von Baustrom bezüglich der Baustelle Musterstrasse in Musterstadt Stromkosten in Höhe von 3.967,43 Euro zu bezahlen.
Am 04.10.2005 wurde an genannter Baustelle auf Bestellung der Beklagten ein Baustromanschluss errichtet. Der entsprechende Zähler mit der Eigennummer 55555 wurde mit einem Zählerstand von 9.702 kWh in Betrieb genommen. Der Zähler ist ordnungsgemäß geeicht. Die Beklagte hatte Abschlagszahlungen in Höhe von Euro 65,– zu leisten, vgl. Anlage K 3, BI. 34 d.A. Bei einer Zwischenablesung am 04.05.2006 wurde ein Verbrauch in Höhe von 1.286 kWh abgelesen. Bei der Endablesung am 30.11.2006 trug der Bearbeiter Herr S. einen Zählerstand von 29.478 kWh bzgl. der Eigennummer 55555 ein, vgl. Anlage K 5, BI. 38 d.A.. Dementsprechend rechnete die Klägerin mit einem Betrag in Höhe von 4.019,63 Euro ab, vgl. Anlage K 2, BI. 17 d.A.. Nachdem die Demontage am 30.11.2006 erfolgte, vgl. Anlage K 5, BI. 38 d.A., wurde mit Datum vom 06.12.2006 der Baustromzähler bei einem anderen Kunden mit dem Zählerstand 29.478 kWh montiert, vgl. Anlage K 8, BI. 53 d. A..
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei entsprechend den abgelesenen Daten verpflichtet, den Rechnungsbetrag zu bezahlen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass der gemessene Verbrauch nicht plausibel sei. Dieser Verbrauch habe nicht stattgefunden. Es seien keine Geräte im Betrieb gewesen, die dies rechtfertigten, zudem noch in dem Zeitraum ab der Zwischenablesung. Zudem sei eine Forderung der Klägerin deswegen nicht gerechtfertigt, weil die Beklagte keine Rechnung erhalten habe. Es sei eine Originalrechnung erforderlich.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen vertraglichen Anspruch auf Zahlung des Betrages von 3.967,43 Euro.
Auf Grund des Vertrages ist die Beklagte verpflichtet, den verbrauchten Strom zu bezahlen. Die Klägerin hat vorgelegt einen Nachweis darüber, dass der maßgebliche Zähler ordnungsgemäß geeicht ist, vgl. Anlage K 9, BI. 54 d. A..
Ferner ist auf Grund der Angabe des Zeugen S. und auf Grund der von der Klägerin vorgelegten Ablese- bzw. Montageprotokolle nachzuvollziehen, dass der Baustromzähler tatsächlich Ende November 2006 mit dem Zählerstand von 29.478 kWh auf der Baustelle der Beklagten abgebaut wurde. Ein Ablesefehler erscheint aufgrund der vorgelegten Belege über die zeitnahe Weiterverwendung des Zählers zudem ausgeschlossen.
Auch wenn der Beklagten der Verbrauch nicht plausibel erscheint, was das Gericht durchaus nachvollziehen kann, sprechen die Fakten hier eindeutig dafür, dass entsprechend Strom verbraucht wurde. Die Beklagte hat keinen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder ähnliches angeboten, dass hier ein Fehler am Erfassungsgerät vorliegt. Ohne einen solchen Beweisantritt muss das Gericht vom im Übrigen unstreitigen Vorgang der Klägerin ausgegangen werden, dass das Gerät ordnungsgemäß geeicht ist.
Die Beklagte hat die Rechnung auch jedenfalls mit Erhalt der Klageschrift bekommen. Die Vorlage der Anlage K 2 ist insoweit als Rechnung ausreichend. Die Beklagte kann sich nicht auf mangelnde Fälligkeit berufen.
Die Entscheidung zu den Nebenkosten erfolgt aus §§ 280, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
F.
Richter am Amtsgericht
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